Anzeige in „The New York Times“, Oktober 1999.
Mit diesen und ähnlichen Anzeigen wurde in amerikanischen Zeitungen gegen den schleppenden Fortgang der Verhandlungen zur Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter protestiert. Geschaltet wurden die Anzeigen unter anderem von der jüdischen Organisation B’nai B’rith.
Quelle: ullstein bild (Reuters)
„Verzichtserklärungen“ im Antragsverfahren zum Erhalt einer Auszahlung, 2001 bis 2003.
Die gesetzlichen Regelungen zur Auszahlung an ehemalige Zwangsarbeiter schrieben vor, dass die Antragsteller auf jegliche weitere Rechtsansprüche gegen Deutschland, Österreich und Unternehmen in beiden Staaten verzichten. Wer die Erklärung nicht unterschrieb, erhielt keine Zahlung.
Quelle: Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
Streit um Erinnerung
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge richtete 1960 im Kloster Arnsburg einen Friedhof ein, auf dem deutsche Soldaten, SS-Angehörige, ausländische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter bestattet wurden. Dazu gehörten auch die überführten sterblichen Überreste der 87 Opfer des Massenmordes von Hirzenhain. Obwohl den Verantwortlichen die Namen und der Umstand ihres Todes bekannt waren, bestattete man sie als „unbekannte Kriegstote“. Erst Mitte der neunziger Jahre wurde dies korrigiert.
In Wippenbach (Hessen) wurde in den letzten Kriegstagen die ukrainische Zwangsarbeiterin Alexandra Tubicha umgebracht. Ihre Leiche wurde von der Dorfbevölkerung zunächst auf einem Müllabladeplatz verscharrt und dann auf dem Gemeindefriedhof beerdigt. Später galt das Grab als „verschwunden“. Im Dorf erinnert heute nichts mehr an Alexandra Tubicha.
Doch diese Mentalität eines „Schlussstrichs“ erregte seit den 1970er Jahren Widerstand. Häufig waren es lokale Initiativen, die die konkreten Geschichten vor Ort recherchierten und Hilfen für die noch lebenden Zwangsarbeiter einforderten.
Das wachsende Wissen um die begangenen Verbrechen und der öffentliche Druck, über Entschädigungen nachzudenken, gingen Hand in Hand.
„In der Art und Weise, wie wir entschädigt haben, bringt sich oft das Gegenteil von dem zur Geltung, was Wiedergutmachung sein sollte: [Wir haben] die Verfolgten zu Bittstellern, zu Fristsäumigen, zu Unglaubwürdigen, schließlich zu ‚Entschädigungsunwürdigen‘ gemacht.“
Dörte von Westernhagen, Schriftstellerin und Journalistin in der Wochenzeitung „Die Zeit“, 5. Oktober 1984.
Der lange Weg zur Anerkennung
Eine Auseinandersetzung mit der Zwangsarbeit unterblieb in der ersten Nachkriegszeit. Forderungen ehemaliger Zwangsarbeiter, ihr Schicksal anzuerkennen und zu entschädigen, fanden kaum Gehör. Erst seit den 1970er beziehungsweise 1980er Jahren begannen Bürgerinitiativen in Deutschland und Österreich, die Geschichte der Zwangsarbeit in Erinnerung zu rufen.
Staat und Wirtschaft waren zur Anerkennung des Unrechts erst 60 Jahre nach
Kriegsende bereit, nachdem ehemalige Zwangsarbeiter in den USA Sammelklagen gegen deutsche und
österreichische Unternehmen angestrengt hatten. Zumindest deutschen Firmen drohten Ansehensverluste.
Um Rechtssicherheit zu erlangen sowie aufgrund des zunehmenden
öffentlichen Drucks finanzierten
Regierungen und Unternehmen in beiden Staaten Stiftungen, in Deutschland die Stiftung „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“, in Österreich den „Versöhnungsfonds.“ Ihr Ziel war es ehemaligen
Zwangsarbeitern humanitäre Zahlungen zukommen zu lassen.
„Für alle, die damals ihr Leben verloren haben, kommt die Entschädigung genauso zu spät wie für alle, die inzwischen gestorben sind.“
Bundespräsident Johannes Rau, 17. Dezember 1999.